Der 2- bis 3-Liter Topf, hochgezogen und meist viereckig, ist zum Standard in der Beerenpflanzenproduktion geworden. Wenn man im Frühling durch die Gartencenter zieht und mit Gärtnerblick die Angebote analysiert, so sieht man nur das immer gleiche: Der fast gleiche Topf, mit einer etwas unterschiedlichen, aber immer grossflächigen Etikette, notabene mit möglichst wenig Informationen. Der Kunden kann ja bekanntlich nicht lesen. Jedenfalls scheinen das unsere Werbeberater zu glauben. Auch Gartencenter sind da nicht besser. Ich habe kürzlich in Frankreich in einem Gartencenter die fast identischen Pflanzen von 4 Lieferanten aus 2 Ländern gesehen, das Einheitsbild hat sich international ausgebreitet. Ist das richtig so? Verpassen wir da nicht laufend Marktchancen, gerade wenn sich der Markt nach der Corona-Hausse wieder normalisiert? Das fragt sich (und auch uns) Markus Kobelt von Lubera® im nachfolgenden Artikel…
Die industrielle Logik steuert das Angebot
Diese Angebotsstruktur (alles im 2 Liter Topf, einfach, praktisch, viereckig, gut) macht für den Produktionsbetrieb Sinn: Pro Flächeneinheit ist die Produktivität am grössten, einen 5 Liter kann man kaum so teuer machen, dass er die gleiche Flächenproduktivität erreichen würde. Die Vereinheitlichung macht auch vieles anderes einfacher: Die Kulturführung, ev. den Rückschnitt, den Einkauf von Erde und Töpfen. Diese Vorteile treffen sich mit denen des Wiederverkäufers, des Gartencenters: Werden die Beeren auch noch wie so häufig zu einem Einheitspreis verkauft, schrumpfen 10-20 Artikel letztlich technisch zu einem einzigen Artikel. Natürlich kann man gerne noch detaillierter auswerten, aber man wird den Beerentopf als einen Artikel behandeln – und vereinfacht so Einkauf, Vorratshaltung und Marketing. Maximiert man so aber auch die Verkäufe?
Wo bleibt der Kundenwunsch?
Aber wo bleibt der Kunde, dem wir ja so gerne dienen, und dessen Wünsche wir so fleissig von seinen Lippen ablesen? Ist für ihn wirklich die Beere ein Artikel? Und ist es in unserem Interesse, dass er die Beere als einen Artikel behandelt, einfach 1 der 3 oder 5 Beeren mitnimmt und einzeln oder zusammen irgendwo hinpflanzt, unterscheidlos. Ist der Kunde so dumm und unbedarft und so wenig wissbegierig, wie ihn die Etiketten häufig einschätzen? Wenn ich die Fragen sehe, die wir tagtäglich bei Lubera beantworten, bis ich da nicht so sicher.
Was macht der Kunde mit einer Himbeere, und was macht er mit einer Heidelbeere?
Für den Kunden haben Himbeeren einerseits und z.B. Heidelbeeren auf der anderen Seite ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen und auch Folgerungen. Die Himbeere wird immer noch in Zahlen gepflanzt, 6 Himbeeren, 12 Himbeeren. Solche Warenkörbe gibt es bei uns online sehr häufig, vor allem wenn man den Kunden darauf aufmerksam macht, was es für eine Reihe Himbeeren braucht: Mit 6 Himbeeren sind gerade einmal 2m vollgepflanzt. Dies ergibt dann 3-6kg Himbeeren. Wenn die Hälfte frisch gegessen wird, reicht das für einige Packungen in der Gefriertruhe oder für einige Gläser von Mutters oder Vaters Delikatess-Konfitüre.
Bild: Himbeer-Pflanzen in einem 1,3-Liter Topf, viel größer sollte es gar nicht sein - und mit diesen drei Pflanzen lässt sich gerade mal ein Meter bepflanzen, um eine vier-köpfige Familie zu versorgen, sollen es schon mindestens zwei Meter sein.
Dagegen kaufen nur die wenigsten Kunden 6 Heidelbeeren. Zwar haben die Blaubeeren stark an Renommée gewonnen, sie sind vor allem im Supermarkt ubiquitär, werden dort häufiger angeboten als Himbeeren. Dennoch führen die Schwierigkeiten mit der Topfkultur und die Ansprüche an sauren Boden (Moorbeet notwendig) zu einem deutlich zurückhaltenderen Einsatz der Blauen Beeren im Garten. Gemäss unseren Zahlen werden ca. 4 x mehr Himbeeren verkauft als Heidelbeeren. Im Vergleich mit Johannisbeeren (in allen Farben) oder mit Spezialitäten wie Erstbeeren (Blaue Honigbeeren) oder Amelanchier wird das Verhältnis dann noch einseitiger. Ist es dann wirklich richtig, dem Konsumenten eine gleichmacherische Einheitsbeere vorzusetzen?
Was ist die längerfristige Folge der Vereinheitlichung?
Die längerfristige Folge dieser sachlich falschen Vereinheitlichung zeigen sich in zwei Tendenzen:
Erstens: Weil wir sie in zu grossen Töpfen und tendenziell zu einem eher hohen Preis anbieten, verkaufen wir nicht so viele Himbeeren, wie es möglich wäre. Wir erziehen den Gartenkonsumenten geradezu dazu, keine Unterscheide zwischen den Beeren zu machen. Die Nichtinformationen (siehe auch meine etwas bösen Bemerkungen zu den Etiketten) hat halt irgendwann auch Folgen. Es ist auch auffällig, dass jetzt nach Corona die Mengenkorrektur bei den Himbeeren viel stärker ist als bei den anderen Arten. Es ist schlichtweg auch unpraktisch, zwanzig 2-Liter oder gar 3-Liter-Töpfe nach Hause zu schleppen, um eine Zeile Himbeeren zu pflanzen. Hier wäre entscheiden besser, eine Jungpflanze kaufen zu können als eine übergrosse Pflanze. Denn es gibt noch einen entscheidenden Unterscheid zwischen der Himbeere und den anderen Strauchbeeren: Während die Strauchbeeren von der Heidelbeere bis zur Saskatoonbeere einen stabilen mehrjährigen Pflanzenkörper aufbauen und entsprechend eine grössere Pflanze auch viel mehr an schnellem Ertrag bringt, begrenzt die Himbeere ihr oberirdisches Pflanzenleben auf 1 Jahr (Herbsthimbeeren) und 2 Jahre Sommerhimbeeren (natürlich um sich dann auch laufend zu erneuern). Aufgrund dieser Tatsache haben grössere Pflanzen bei den Himbeeren fast keinen Vorteil gegenüber einer kleineren Pflanze, beim Anwachserfolg haben die jungen und kleinen Pflanzen meist die Nase vorn.
Bild: relativ kleine Himbeer-Pflanzen in einem 12cm-Topf - so fjunge und frische Pflanzen wachsen im Garten bestens an und auch gleich weiter
Zweitens: Wir verschenken Grössenpotential und vor allem auch Preispotential bei den Strauchbeeren von der Heidelbeere bis zur Johannisbeere. Jetzt könnte man argumentieren, dass wir dafür bei den spezielleren Beerenarten mehr Pflanzen verkaufen. Vielleicht ist dies auch ab und zu der Fall, aber ich behaupte, dass wir bei diesen Obstarten viel mehr an Upgrading-Potential (Pflanzengrösse und vor allem Preis) verpassen als wir an Menge gewinnen. Denn bei den Strauchbeeren zeigt sich bei grösseren Pflanze fast linear ein deutlicher und offensichtlicher Vorteil: mehr und schnellerer Ertrag - und genau dieser Vorteil kann - könnte auch verkauft werden. Daneben ist die Zahlungsbereitschaft bei solchen tendenziellen Nischenprodukten grundsätzlich viel grösser.
To do! Himbeeren downgraden, Strauchbeeren upgraden
Was genau wäre nun zu tun? Die Schlussfolgerungen ergeben sich schnurstracks aus meiner Argumentation:
Himbeeren downgraden: mehr zu den Erdbeeren rücken, allenfalls vermehrt parallel mit Erdbeeren verkaufen, um so die Menge und die klassische Verwendung in Reihen/Beeten zu stärken. Himbeeren können problemlos in einem 12erTopf oder auch in einem 1 Liter Topf produziert werden. Und warum bietet man keine 6er oder 4er-Einheiten an? Eine 6er Einheit würde genau den Bedarf für eine 150 bis 200cm lange Himbeerreihe decken und langfristig einen Ertrag von 3-6kg pro Jahr garantieren. Der Preis muss dafür nicht ins Bodenlose fallen, auch wenn der Topf viel viel kleiner wird, bis zu einer 8cm Einheit in einem 6er Pack: Am Ende erreicht der Gärtner mit der kleinen Jungpflanze das gleiche Ziel wie mit der grösseren Fertigpflanze, die dennoch keine Vorteile hat, da sie kaum sofort Ertrag bringt.
Bild: Himbeeren in einem 1,3 Liter-Topf - für Beeren recht klein, für Himbeeren eher schon eine große Größe
Alle anderen Strauchbeeren upgraden: Dieses Upgraden meine ich ganz bewusst zweigleisig: Einerseits sind 3-15 Liter-Pflanzen zu testen und auf den Markt zu bringen. Hier hat nämlich eine grössere Pflanze den Vorteil, dass sie wirklich fertig ist, sofort ein voller Ertrag bringt. Eine grosse Heidelbeere im 15 Liter oder 10 Liter Topf bringt den gleichen Ertrag, wie eine Jungpflanze im 2 Liter Topf nach 3 oder 4 Jahren! Geld ersetzt Zeit. Normalerweise sind Konsumenten bereit, dafür zu zahlen. Aber nur, wenn man sie auf die entsprechenden Vorteile aufmerksam macht.
Bild: Heidelbeeren in einem 5-Liter-Container - Warum diese Größe nicht als Standard definieren?
Bild: große und starke Heidelbeerpflanzen in einem 15-Liter-Container - solch eine Pflanze bringt fast einen Vollertrag beim Endkunden
Natürlich verstehe ich, dass diese vorgeschlagene Vorgehensweise letztlich komplizierter ist als die Einheitsbeere. Dennoch würden sich auch mit dieser neuen Differenzierungsstrategie zwischen Himbeeren und dem Rest der Strauchbeeren ganz sicher rentable und gleichzeitig kundenfreundliche Angebotsformen finden lassen, die neben dem Kunden auch dem Pflanzenproduzenten und dem Händler Freude machen.
Die Nachteile der Uniformität
Zurück zu meinem Erlebnis in diesem Frühjahr in Frankreich: Ein Gartencenter, 4 Lieferanten mit fast deckungsgleichen Sortimenten und der gleichen Anmutung. Der fast einzige Unterschied zeigt sich aufgrund des früheren oder späteren Liefertermins, der dann einen Einfluss auf die Qualität der vielen noch herumstehenden Pflanzen hat. Und ja: Die Etiketten sind wie schon erwähnt alle nichtssagend. Es käme jedenfalls einem richtigen Kunststück gleich, noch weniger Informationen auf so großen Plastikflächen zu verteilen.
Ironie beiseite. Das Problem bei dieser Vereinheitlichung besteht darin, dass die Produktivitätsgewinne im Verkauf und in der Produktion mit einem riesigen Verlust an Unterschiedlichkeit in den Augen des Kunden einhergehen: Für den Hobbygärtner ist alles gleich, es ist auch egal, was er kauft. Wer vor diesen vollen Tischen von 2 Liter Beeren steht, wird ganz schnell mit „Plantblindness“ geschlagen, er sieht sozusagen vor lauter Wäldern den einzelnen Baum nichtmehr. Und vergessen wir nicht: Auch aus der Sicht des Wiederverkäufers, des Engros-Kunden wird jeder Produzent uniform, er ist leicht austauschbar, nur noch die Preise lohnen eine Diskussion.
Dagegen hilft nur mehr Differenzierung: In den Pflanzengrössen, in der Preisstellung, in den Verkaufsargumenten. Denn eigentlich wissen wir ja, dass ein ziemlich grosser Unterschied zwischen einer Himbeere und einer Heidelbeere besteht. Oder?