Jeder Himbeerpflanzenproduzent weiß: Es gibt Reklamationen von Endverbrauchern und darauf basierend auch von Endverkaufsbetrieben. Himbeeren gehören zu den Pflanzen, bei denen man mit einer gewissen Reklamationsrate rechnen muss, auch wenn man seine Aufgabe als Jungpflanzenproduzent und selbstverständlich auch als Pflanzenproduzent vollkommen erfüllt hat. Was steckt hinter dem Phänomen, wann wird vor allem reklamiert, und ließe sich daraus nicht auch ein Verkaufsargument gewinnen? Wir haben die Reklamationen bei lubera.com, der online Verkaufsseite unseres Züchtungspartners Lubera analysiert und ausgewertet.
Warum Himbeeren vielleicht heikler sind als viele andere Beerensträucher
Natürlich haben Sie sich diese Frage auch schon gestellt: Warum werden Himbeeren häufiger reklamiert als andere Pflanzen? Sind sie wirklich heikler, empfindlicher? Machen wir etwas grundfalsch? Die erste Antwort ist sicher eine rein mathematische: Wir verkaufen 10-20 x so viele Himbeeren wie z.B. Johannisbeeren, da ist es sicher nicht ganz falsch anzunehmen, dass auch die Reklamationen häufiger auftreten. Ein Blick in die Reklamationsstatistik von lubera.com zeigt allerdings, dass diese Begründung nicht ganz zutrifft: Auch relativ zur Anzahl verkaufter Pflanzen sind die Reklamationen bei Himbeeren deutlich häufiger. Interessanterweise bewegen sie sich - relativ zur Verkaufsmenge - ungefähr auf dem gleichen Niveau wie bei den Heidelbeeren. Bei dieser Obstart sind allerdings die Reklamationsgründe ziemlich offensichtlich und in der Natur der Pflanze begründet: Ohne saures Moorbeet und ohne saure Moorbeeterde können Heidelbeeren nun mal nicht überleben. Wenn man dann noch die Probleme mit Überdüngung und Versalzung hinzuzählt sieht man schnell ein, dass es objektiv gute Gründe für das relativ hohe Niveau der Problemfälle gibt. Zwar sprechen wir auch hier immer noch von einer kleinen einstelligen Prozentzahl, aber die Unterschiede sind doch auffällig.
Und warum Himbeeren trotzdem evolutionär so geworden sind, wie sie sind
Zurück zu den Himbeeren: Was macht sie – mindestens relativ zu andere Obst- und Beerenpflanzen – hier zu einer schwierigeren Obstart? Natürlich kommt man da schnell auf das für Pilzinfektionen (Phytophtora und Verticilium) anfällige Wurzelsystem. Aber der eigentliche physiologische Grund ist noch grundsätzlicher: Himbeeren fruchten an einem nur 2-jährig werdenden oberirdischen Holzkörper, die Pflanze muss diesen regelmäßig wieder neu produzieren, um für die eigene Fortpflanzung sorgen zu können (und für uns Früchte zu produzieren). Damit wird auch das Gesamtsystem labiler. Die Ruten selber sind nicht auf eine jahrzehntelange Stabilität ausgerichtet und damit auch anfälliger als ein auf längere Zeiträume ausgerichteter Holzkörper eines Apfelbaums oder auch einer Johannisbeere. Gegenüber dieser Argumentation könnte man natürlich fragend einwenden, warum denn eine grundsätzlich so „schlecht“ aufgestellte Pflanze überleben kann? Die Antwort liegt wieder in den Wurzeln, die sich hier als Stärke der Himbeere erweisen: Wenn die oberirdischen Organe der Himbeeren mal versagen, dann kann sie sich immer noch über die Wurzeln fortpflanzen und neue Triebe, irgendwann wieder neue Früchte produzieren.
Bild: Herbsthimbeeren bilden das ganze Jahr über neue Triebe und bilden direkt Früchte; hier: Schlaraffia® Plentiful®
Was sind die wichtigsten 5 wichtigsten Gründe für Reklamationen?
Aber schauen wir jetzt mal genauer und konkreter hin. Wir haben bei lubera.com mal die wichtigsten Gründe für Himbeerproblemfälle analysiert und können sie weitgehend in 5 Gruppen zusammenfassen. Dabei versuchen wir (aufgrund von Mails, aufgrund von eingeschickten Fotos) die effektiven Gründe für das Himbeerproblem zu benennen:
- Die Pflanze wurde in eine alte Himbeerreihe oder in einen offensichtlich belasteten Boden gepflanzt; sie wächst kurz an, fällt dann in sich zusammen. Vermutete Gründe Nachbau, Phytophthora.
- Der Wurzelballen wurde beim Pflanzen gar nicht aufgerissen, die Pflanze hat in 2 Monaten nicht rausgewurzelt. Dann ersäuft die Pflanze in einem nassen Frühling; in einer trockenen Phase vertrocknet sie, vor allem wenn die oberirdische Rute lang gelassen wird und wenn hoch gepflanzt worden ist
- Die Pflanze treibt aus, bricht aber im Frühsommer zusammen, meist von der sputze beginnend nach unten. Grund: Wurzelfäule (siehe auch 1.)
- Die frische Pflanzung ist mit einer dicken Schicht Mulchmaterial abgedeckt, die Jungpflanzen wachsen gar nicht an oder brechen zusammen. Das Mulchmaterial macht den Boden nässer und kälter, damit gibt es mehr Phytophthora, die Pflanzenwurzeln faulen vor sich hin.
- Pflanze ist gelb und chlorotisch; dieses Symptom ist häufig mit Mulchmaterial oder nassem Boden verbunden. Diese Chlorose tritt häufiger bei gelben Himbeeren und häufiger bei Herbsthimbeeren als bei Sommerhimbeeren auf.
Bild: doppelt gemulcht, das übersteht keine Himbeere
Wann wird vor allem reklamiert?
Nicht, dass Sie jetzt denken, dass wir bei lubera.com nur Himbeerreklamationen hätten. Bei weitem nicht. Wir haben übrigens bei Himbeeren auch Reklamationen der ganz anderen Art: Dann, wenn sie mal wachsen, dann bringt man sie auch nicht mehr so schnell los. Genau diese Frage (wie kann man Himbeerpflanzen auch wieder loswerden?) wird nicht selten gestellt; oder wie man Ausläufer im benachbarten Beet verhindern kann. Der Pflanzenverkäufer darf auch nicht ganz selten die Frage beantworten, wie man gesunde Himbeerpflanzen selber vermehren und umpflanzen soll…
Das wichtigste Resultat der Analyse ergibt sich aber aus dem Zeitpunkt der Reklamationen und Problemfälle: Himbeerpflanzen werden vor allem im Mai und Juni reklamiert; sie sind im Herbst oder im Frühling gepflanzt worden. Bei sommergepflanzten Himbeeren gibt es so gut wie gar keine Probleme oder Reklamationen.
Der Verkaufshit: Himbeerpflanzen im Sommer verkaufen und pflanzen
Ich glaube, dass wir dieses Argument in der Kommunikation mit Endkunden, aber auch Wiederverkäufern häufiger und auch dezidierter einsetzen sollten (und allenfalls auch unsere Produktion darauf einstellen): Es gibt bei Himbeeren keinen sichereren Pflanztermin als den Sommer. Frisch vermehrte, vor wenigen Wochen eingetopfte und gerade eingewurzelte Pflanzen wachsen im warmen und relativ trockenen Boden sofort weiter, ihre Wurzelsystem erreicht in kürzester Zeit erstaunliche Ausmaße, der Rutenaufwuchs kann sogar bei einer frühen Sommerpflanzung im Spätherbst noch zu ersten Probierfrüchten führen. In warmen und trockenen Boden kann sich auch der gefürchtete und weit verbreitet Phytophthora-Pilz gar nicht oder kaum vermehren und die Wurzeln können sich so ungehindert ausbreiten.
Bild: Himbeer-Pflanzen im 12er-Topf. Der ideale Pflanzzeitpunkt liegt mitten in der Vegetationsperiode, sprich im (Hoch-)Sommer
Weitere Gründe für das Pushen von Sommeraktionen mit Himbeeren
Himbeerpflanzen für den Sommerverkauf haben nicht nur die besten Überlebenschancen beim Endkonsumenten, die sind auch sehr schnell produziert, im C1 oder 12erTopf können sie schon nach 4-6 Wochen verkauft werden, im 1,5 bis 2l Topf geht es vielleicht mit einmal Zurückschneiden 7-8 Wochen. Die kurze Produktionszeit würde auch das Angebot von attraktiven Preisen ermöglichen, falls der Wiederverkäufer diese an die Endkonsumenten weitergibt und damit die Mengen ankurbelt.
Voraussetzung: Satzweise Produktion
Eine Voraussetzung für die Wahrnehmung dieser Sommerverkaufschance ist die Abkehr von der eindimensionalen Produktionsstrategie: Alle Himbeeren werden an einem Zeitpunkt getopft, und werden dann ebenfalls ziemlich kompakt im Frühling im März und April verkauft. Voraussetzung für die Eroberung und den Ausbau von weiteren Verkaufsfenstern ist eine satzweise Produktion, die auch Produktionsmethoden, Kosten und Zeitbedarf optimiert.