Für die erfolgreiche Etablierung von neuen Pflanzenarten im Labor müssen verschiedene Parameter herausgearbeitet werden: Geeignetes Ausgangsmaterial, Desinfektionsmittel mit entsprechender Konzentration und Inkubationszeit, Nährlösung für eine gute Pflanzenqualität sowie Schneidetechnik und Kulturverfahren.
Verwendung von geeignetem Ausgangsmaterial
Blattstücke, Sprossspitzen, Achselknospen, Nodien, Blüten und Wurzelspitzen können als Ausgangsmaterial für die Initiierung der Kultur verwendet werden. Die Wahl des Pflanzengewebes ist abhängig vom Habitus der zu etablierenden Pflanze und den vorhandenen Vegetationspunkten mit aktiver Zellteilung. Wenn möglich, sollte Material genommen werden, welches sich oberhalb des Substrats befindet, weil so die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Kontaminationen geringer ist.
Oberflächensterilisation und Aufbereitung des Pflanzenmaterials
Anhand des gewählten Ausgangsmaterials wird das geeignete Sterilisationsmittel getestet, welches für die vorliegende Pflanzenart verträglich ist und gleichzeitig Mikroorganismen effektiv entfernt, wie z.B. Natriumhypochlorit, Ethanol, Silbernitrat, Wasserstoffperoxid usw. Herausgearbeitet werden optimale Konzentration und Inkubationszeit, um eventuell anhaftende Pilze und Bakterien abzutöten, aber das Pflanzengewebe nicht schädigen.
Die Art der Aufbereitung des sterilisierten Pflanzenmaterials wird geprüft. Blätter werden in kleine quadratische Stücke geschnitten. Von Trieben werden die juvenilen Spitzen abgetrennt. Nodien können ganz eingesetzt werden, oder es werden die Achselknospen herauspräpariert, je nach Alter und Zustand auch die äußeren Gewebeschichten abgeschält. Blüten werden vertikal geteilt, geschält oder vollständig in die Nährlösung gesetzt.
Etablierung der richtigen Nährlösung
Der entscheidende Punkt für eine erfolgreiche Etablierung ist, neben Oberflächensterilisation und Aufbereitung, die Zusammensetzung der Nährlösung. Die erste verwendete Nährlösung nach Sterilisierung des Pflanzenmaterials ist in der Regel die gleiche. Auf ihr zeigt sich, ob das Material steril und vital ist. Danach spielt das kulturspezifische Medium für die Etablierung der neuen Pflanzenart eine wichtige Rolle.
Orientierung am Naturstandort der Pflanzenart
Der Naturstandort der Pflanzenart kann als Orientierung für die Erstellung einer Nährlösung dienen: Relevant sind beispielsweise die pH-Werte der Bodenarten (Sand-, Lehm-, Löß-, Ton- oder Moorboden). Nährstoffe sind bei unterschiedlichen pH-Werten mehr oder weniger gut verfügbar: Eisen im neutralen Bereich, Magnesium und Phosphor eher im alkalischen Bereich, Mangan vorwiegend im sauren Bereich. Auf dieser Grundlage wird die Zusammensetzung der Makro- und Mikronährstoffe in der sterilen Nährlösung gewählt. Auch eine Rolle spielt die Wasserverfügbarkeit, die mit der eingesetzten Menge des Geliermittels (Agar, Gelrite usw.) gesteuert werden kann.
Publizierte Nährlösungen nah verwandter Arten
In wissenschaftlichen Publikationen werden spezifische Zusammensetzungen von Nährmedien für Pflanzenarten veröffentlicht. Diese publizierten Nährmedien können als Grundlage für die Etablierung einer anderen Pflanzenart dienen, indem die Nährlösung identisch vorbereitet wird oder eine genotypenspezifische Anpassung erfolgt. Sogar zwischen phylogenetisch weit voneinander entfernten Arten kann die Übertragung einer Nährlösung erfolgreich sein, z.B. gattungsübergreifend innerhalb der gleichen Pflanzenfamilie. Oder die Zusammensetzung stellt zumindest einen Anhaltspunkt dar, wie die Nährlösung gestaltet sein sollte: Stickstoffgehalt, Salzgehalt usw.
Anpassung und Optimierung bereits etablierter Nährlösungen
Stehen bereits verschiedene Nährlösungen für etablierte Kulturen im Labor zur Verfügung, dann können die Explantate der neuen Pflanzenart auf diesen Medien nach dem heuristischen Versuch-und-Irrtum-Prinzip getestet werden. Entwickeln sich die Pflänzchen auf einem dieser schon vorhandenen Nährmedien gut, kann dieses als finales Medium dienen oder als Grundmedium, welches für die jeweilige Pflanzenart angepasst und optimiert wird.
Die Konzentration der verwendeten Wachstumsregulatoren ist eine sensible Anpassung an die jeweilige Pflanzenart. Manchmal benötigen sogar verschiedene Sorten einer Pflanzenart diesbezüglich eine spezifisch etablierte Nährlösung. Wachstumsregulatoren können natürliche Phytohormone oder synthetische Stoffe sein. Zum einen gibt es Cytokinine, welche die Zellteilung anregen und somit die Vermehrung der Pflanzen fördern. In Abhängigkeit von der gewählten Konzentration kann die neue Sprossbildung gesteuert werden. Jede Pflanzenart hat ihr Cytokinin-Optimum, welches zu einer guten Pflanzenqualität mit einer angemessenen Vermehrungsrate führt. Pflanzenqualität sowie Vermehrungsrate müssen anhand der etablierten Nährlösung über mehrere Subkulturen auf Konstanz geprüft werden. Zum anderen gibt es Auxine, die zum Einsatz kommen, wenn die Pflanzen nach der Vermehrung nicht direkt in natürlichem Substrat bewurzeln und ein steriles Bewurzelungsmedium notwendig ist. Auxine fördern das Zellwachstum, die Pflanzenstreckung (Apikaldominanz) und die Wurzelbildung – sie induzieren die vollständige Entwicklung der Pflanze.
Des Weiteren spielt die Analyse von Schneidetechnik, Subkulturdauer, Temperatur, Tageslänge und Lichtqualität eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Etablierung von In-vitro-Verfahren für neue Pflanzenarten.