Diese Woche (Kalenderwoche 26) war es wieder mal soweit. Die schwarzen Johannisbeeren auf unserem Züchtungsfeld – in einigen Regionen auch »Cassis« genannt – sind reif geworden und standen zur Bonitur an. Neben den Himbeeren und dem Rhabarber gehören seit einigen Jahren auch die schwarzen Johannisbeeren zu den Kulturen, die jedes Jahr aufs Neue bonitiert werden. Einige Leser*innen werden sich nur fragen, warum eine Cassis-Bonitur sinnvoll ist. Die Antwort ist schnell gefunden. Die schwarzen Johannisbeeren haben viel mehr zu bieten als die kleinen, sauren und herben Früchte aus Omas Garten, die nur für die Verarbeitung zu gebrauchen waren. Der Blickpunkt meiner Aussage liegt ganz eindeutig auf dem kleinen Wort »waren«. In den letzten Jahren hat die Lubera-Züchtung die schwarzen Johannisbeeren auf ein ganz neues Niveau gehoben. Und das ist noch nicht das Ende, wie ich einmal mehr feststellen durfte.
Die Cassis-Bonitur 2024 – Endlich, im zweiten Anlauf
Eigentlich war es geplant, diese Bonitur schon vor zwei Wochen durchzuführen. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Früchte bereits schön schwarz gefärbt. Und auch beim Pflücken fühlten sich die Früchte weich und reif an. Das böse Erwachen kam dann bei der Degustation der Früchte. Von der weichen Haptik keine Spur mehr... Beim Draufbeißen fühlten sich die Früchte plötzlich fest und wenig saftig an. Der Grund offenbarte sich erst nach dem dritten/vierten Versuch… Die Früchte waren – trotz ihrer äußeren Erscheinung – einfach noch nicht reif. Also hieß es, bis zur finalen Bonitur noch etwas Geduld zu bewahren.
Bild: Cassis-Selektion mit großen und süßen Früchten - und vor allem auch reif...
Diese Woche war es dann aber soweit, die Früchte waren jetzt zwar schon leicht über ihrem Reifezenit, aber es gab noch mehr als genug im idealen Reifezustand für eine aussagekräftige Degustation. Eine solche Degustation mache ich in der Regel direkt auf dem Feld, an der Pflanze. Alle Daten, Bemerkungen und Kommentare werden direkt mittels Tablet und Züchtungs-App festgehalten. Dabei schauen wir vor allem auf die folgenden Punkte:
- Länge der Trauben: im Gegensatz zu den roten/weißen Johannisbeeren (Ribes rubrum) haben die schwarzen Johannisbeeren meistens kürzere Trauben. Eine potenzielle neue Sorte sollte deshalb eine gewisse Traubenlänge aufweisen. Oder dann speziell große Beeren…
- Größe der Einzelfrucht: Bei diesem Kriterium sind wir mittlerweile in der Größenordnung der Heidelbeeren angekommen; aktuell liegen wir bei gewissen Sorten sowie Selektionen bei etwa 20 mm Fruchtdurchmesser.
- Fruchtqualität: damit ist primär der Geschmack gemeint; der Geschmack im Allgemeinen ebenso wie das spürbare Verhältnis zwischen Säure und Zucker. Ein ausgewogenes Verhältnis erzeugt einen frischen und fruchtigen Geschmack. Allerdings bewerte ich unter diesem Punkt auch die Intensität des typischen »Cassis«-Aromas der schwarzen Johannisbeeren – den eben nicht jeder Mensch mag (mich eingeschlossen 😉).
- Potential: Jede Selektion wird abschließend nach ihrem Potenzial bewertet. Ist es ein konkreter Sortenkandidat oder nur für die Züchtung zu gebrauchen, weil ein gewisser Aspekt sehr positiv hervortritt?
- Brix-Wert: Zuckergehalt der Früchte, bestimmt durch ein Refraktometer.
Bild: Sowas sieht man gerne bei der Bonitur. Eine Selektion mit außerordentlich gesundem Laub.
Bild: Auch solche Bilder präsentieren sich gelegentlich. Die Bandbreite überrascht auch uns Züchter immer wieder auf das Neue…
Der Brix-Wert von schwarzen Johannisbeeren
In diesem Jahr haben wir nicht nur die degustativen Daten erfasst, die ja ein Stück weit von der persönlichen und damit subjektiven Wahrnehmung des Degustateurs beeinflusst werden, sondern darüber hinaus auch den Brix-Wert gemessen und erfasst. Der Brix-Wert ist letztendlich nichts anderes als der Zuckergehalt der Früchte, angegeben und erfasst in Grad Brix. Dazu wird der Saft der Früchte – ausschließlich der Saft – auf ein Refraktometer getropft. Je nach Zuckergehalt unterscheidet sich die Lichtbrechung, die auf einer internen Skala gleich als Brix-Wert ablesbar wird.
Zwar erlaubt eine einmalige Brix-Wert-Bestimmung noch kein abschliessendes Urteil. Nicht zuletzt, weil dieses Jahr das Wetter während der Abreife bekanntlich alles andere als optimal war – zu wenig Sonnenlicht, zu wenig Wärme, viel zu viel Niederschlag. Dennoch hat der relative Unterschied zwischen den Selektionen eine gewisse Aussagekraft. Besonders wenn sich die Messungen in einem Folgejahr mit besseren Witterungsbedingungen bestätigen sollten.
Bild: ein handelsübliches Refraktometer zum Bestimmen des Brix-Wertes - dem Zuckergehalt der Früchte.
Fazit
Abschließend betrachtet lässt sich sagen, dass die Züchtung der schwarzen Johannisbeeren bei Lubera in die richtige Richtung geht – die Früchte werden größer, süßer und milder (weniger vom typischen Cassis-Aroma). Zwei Paradebeispiele dafür sind die bereits etablierten Sorten Cassissima® Blackbells® und Cassissima® Black Marble®. Beide Sorten sind – sowohl geschmacklich als von der jeweiligen Fruchtgröße her – aktuell das Beste, was die Lubera-Züchtung zu bieten hat und auch Welten besser wie die bekannte Sorte 'Titania'.
In den aktuellen Pflanzenbeständen gibt es erfreulicherweise Kandidaten, welche das Potenzial haben, auch die aktuellen Stars von Lubera zu toppen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Hoffnungen in Erfüllung gehen.