Getreu dem Motto: „Was rein geht, muss auch rauskommen!“ überprüfen wir stichprobenartig bei allen größeren Jungpflanzenchargen im Nachhinein die Pflanzenechtheit und Fruchtqualität. Hierfür werden aus ausgewählten Jungpflanzenchargen 6 zufällig ausgewählte Jungpflanzen getopft, kultiviert und zum Fruchten gebracht. Diese wichtige ‚Schlusskontrolle‘ ist aber nur ein Teil unserer Qualitätssicherung.
Die wichtigsten Elemente der Qualitätssicherung bei Lubera Edibles
Neben der Kontrolle und Aufrechterhaltung der äußeren Pflanzenqualität unserer Nutzpflanzen ist gerade in der Pflanzenvermehrung die Sicherstellung der inneren Qualität entscheidend. Dies gilt für alle Pflanzen, ist aber bei fruchttragenden Obst- und Beerenpflanzen noch wichtiger, wo letztlich nicht die Pflanze, sondern ihre Frucht den Unterschied ausmacht.
Dies Kontrolle und Überprüfung der inneren Qualität setzt grundsätzlich an 3 Stellen im Produktionsprozess an:
- Intensive Sichtung und Testung der Mutterpflanzen
- Beschränkung der Subkulturen in der Gewebekultur und Reduktion des Hormoneinsatzes
- Regelmäßige und stichprobenartige Kontrolle der vermehrten Pflanzen auf Sortenechtheit, Sortenstabilität und Fruchtqualität
Intensive Sichtung und Testung der Mutterpflanzen
Über unseren Sortensichtungsgarten in Strullendorf habe ich schon in einem separaten Artikel geschrieben. Hier geht es darum, die von uns vermehrten Sorten und Sortenkandidaten auf Herz und Nieren, Virusfreiheit und Sortenechtheit zu überprüfen und sicherzustellen, dass nur das allerbeste Pflanzenmaterial vermehrt wird. Die Resultate und Ergebnisse der Sichtung und der visuellen Kontrollen werden neu auch in der von unserer Züchtungsabteilung benutzten Züchtungssoftware erfasst und dokumentiert. Dies hat den zusätzlichen Nutzen, dass man in Zukunft bei älteren Sorten und Longsellern auch gut auf historische Daten zurückgreifen kann und so auch eine allfällige Degeneration der Fruchtqualität erkennen und allenfalls durch einen zusätzlichen Selektionszyklus gegensteuern kann.
Bild: Sortensichtungsgarten in Strullendorf bei Bamberg (Lubera Edibles GmbH, D)
Beschränkung der Subkulturen in der Gewebekultur und Reduktion des Hormoneinsatzes
Die in der Gewebekultur mögliche exponentielle Vervielfältigung von Pflanzen aufgrund sehr schnell hintereinander folgender Vermehrungsschritte reduziert einerseits die Gefahr von Sortenverwechslungen (weil ebene nur von wenigen Mutterpflanzen ausgegangen wird, die leicht intensiv zu prüfen sind), andererseits aber wird rein statistisch die Gefahr von Mikromutationen aufgrund der häufig aufeinanderfolgenden Vermehrungsschritte erhöht. Um dies zu verhindern beschränken wir die Anzahl der Subkulturen je nach Kultur. Dazu kommt, dass wir in den letzten 20 Jahren den Einsatz und die Dosierung von Phytohormonen deutlich reduziert haben und einige Kulturen mittlerweile ganz ohne Phytohormone auskommen, was ebenfalls die Mutationsgefahr gegen 0 reduziert.
Bild: Mikrovermehrung
Regelmäßige Kontrolle der vermehrten Pflanzen auf Sortenechtheit, Sortenstabilität und Fruchtqualität
Aber kommt jetzt bei der Vermehrung wirklich raus, was wir am Anfang reingesteckt haben? Natürlich können wir die produzierten Jungpflanzen visuell kontrollieren, so wie es erfahrene Obstbaumschuler ja auch mit ihren Obstbäumen am Ende der Vegetationsperiode machen. Eine Pflanze, die visuell und z.B. bei der Herbstfärbung von der Norm abweicht, muss auf jeden Fall genauer betrachtet werden. Aber letztlich ist dies nur ein grober Überblick - und sagt bei Obstpflanzen ja noch nichts über die wirkliche Qualität der produzierten Früchte aus. Dazu kommt, dass wir aufgrund unserer 30 jährigen Erfahrung in der Gewebekultur wissen, dass es zwar äußerst selten zu solchen Abweichungen kommt, aber dass sie sich gerne in der Veränderung der Fruchtqualität zeigen (z.B. das sogenannte ‚Crumbling‘ bei Himbeeren => zerbröselnde Himbeerfrüchte). Wir haben uns deshalb entschieden, in regelmäßigen Abständen eine Tiefenkontrolle der von uns vermehrten Sorten und Arten durchzuführen. Dazu werden Jährlich bis zu 160 Proben (was dann knapp 1.000 Pflanzen entspricht) aus den Vermehrungs-Chargen genommen (häufig zum Quervergleich auch mehrere Proben der gleichen Sorte, aber aus unterschiedlichen Vermehrungslinien) und dann auf Herz und Nieren geprüft.
Bild: Himbeer- und Brombeerpflanzen in der Nachtestung - in 2020 über 900 Pflanzen
Himbeeren und Brombeeren in der Nachkontrolle
Aktuell steht unser Himbeer- und Brombeersortiment in der Nachkontrolle. Hierfür wurden Ende März überwinterte Jungpflanzen direkt in einen 5–Liter-Container getopft und in einer Tropfer-Abteilung der Containerfläche aufgestellt. Zwar erfolgten während der Wachstumsphase einige wenige Pflegedurchgänge (stäben und anheften), allerdings gab es keinerlei Pflanzenschutz. Auch der dadurch mögliche Krankheitsdruck soll uns unter Umständen Abweichungen vom sortentypischen Verhalten zeigen. Diese ex post-Sortentests finden übrigens in unserem Schwesterbetreib der Lubera GmbH in Bad Zwischenahn statt: Die gibt uns gleichsam nebenbei wichtige Hinweise auch regionalen Anpassungsfähigkeit der Sorten, die damit immer an mindestens 3 Standorten stehen:
- Züchtung und Sortenerhaltung in Buchs, SG, im St. Galler Rheintal in der Schweiz (Lubera CH)
- Sortensichtung/Mutterpflanzenerhalt und Kontrolle in Strullendorf bei Bamberg (Lubera Edibles)
- Qualitätskontrolle auf sortentypischen Wuchs und Fruchtungsverhalten in Bad Zwischenahn in Niedersachsen (Lubera DE)
Ende August kann der erste Kontrolldurchgang erfolgen. Aufgrund der unterschiedlichen Reifezeiten der einzelnen Sorten ist noch ein weiterer Durchgang etwa 4 Wochen später erforderlich, um alle an den einjährigen Ruten fruchtenden Sorten bonitieren zu können. Die Sorten, die an den zweijährigen Trieben fruchten, werden nochmals aufgebunden, überwintert und werden dann im kommenden Jahr Früchte tragen, die wir begutachten können.
Bilder: Frederik Vollert bei der Fruchtbonitur
Insgesamt können wir pro Jahr bis zu 1.000 Pflanzenmuster von etwa 160 Sorten/Chargen testen. Pro Testeinheit produzieren wir jeweils 6 Pflanzen in 5l Töpfen.
Das Qualitätsparadox
Bei Qualität und Qualitätskontrolle gibt es übrigens ein interessantes Paradox, dessen man sich immer bewusst sein sollte: Je weniger Fehler man findet, desto besser ist die Qualität (und die ursprüngliche Qualitätskontrolle). Aber gleichzeitig wirkt die Qualitätskontrolle in dem Masse unsinniger, je weniger Fehler man findet. Fehler motivieren zu mehr Qualitätskontrolle. Die beste Qualität (bei der man keine Fehler findet) untergräbt die Motivation zu Qualitätskontrolle… Selbstverständlich sind auch wir vor solchen Zweifeln und Überlegungen nicht gefeit: Macht es wirklich Sinn, den ganzen Aufwand zu treiben, wenn man fast keine Fehler findet? Dagegen muss man sich aber immer wieder bewusst machen, welche großen Auswirkungen zum Beispiel eine kleine Abweichung der Fruchtqualität haben kann, wenn sie über Jahre nicht erkannt und auch nicht über Selektion behoben wird, sondern 100.000-fach vermehrt und allenfalls verstärkt wird.
Bild: alle Himbeeren die im gleiche Jahr gefruchtet haben werden nach abgeschlossener Bonitur entsorgt
Und wie viele ‚Fehler‘ findet man?
Zunächst gibt es (neben der möglichen Fehlerfeststellung) auch ein positives Resultat dieser Kontrollen: Durch die Kultur und die intensive Kontrolle produzieren wir auch neue Mutterpflanzen, die wir bei Bedarf wieder am Anfang des Qualitätssicherungssystems einspeisen können. Negativ auffällige Pflanzenproben sind äußerst selten, aber es gibt sie selbstverständlich: Dieses Jahr haben wir bei einer neueren Züchtung (übrigens nicht aus unserer eigenen Küche) ein extrem spätes Fruchten festgestellt, das wir weiter überprüfen müssen. Und bei einer älteren Sorte haben wir eine Häufung von untypischen Früchten beobachtet. Dies wird sofort im nächsten Frühjahr dazu führen, dass neuen Startkulturen von überprüften Mutterpflanzen gemacht werden müssen. Ebenfalls wird man die Sorte an allen 3 Standorten insgesamt genauer beobachten, im schlimmsten Fall auch die Vermehrung stoppen.
Bild: gut erkennbar die deutlich deformierten Himbeer-Früchte
Wie gut kann eine Pflanzenvermehrungs-Qualitätssicherung sein?
Werden wir jetzt bei Lubera Edibles zu Qualitätsfetischisten? Schicken wir jetzt unsere Mitarbeiter in Kurse bei der Automobilindustrie, die sich ja rühmt, (fast) keine Fehler mehr zu machen? (Na ja außer die berühmten Spaltmasse bei meinem BMW, die Wasser zum Navi und zur Sicherheitsbox geführt haben…)
Wir sind uns bewusst, dass die Qualitätssicherung bei Pflanzen im Allgemeinen und bei fruchttragenden Pflanzen im Besonderen nie vollständig sein kann und nicht mal die Sicherheit der (offenbar doch ziemlich unvollkommenen) Prozesse in der Automobilindustrie erreichen kann. Der Grund dafür ist ganz einfach: Eine Schraube und auch eine Autotür ist im Wesentlichen eine Summe der Prozesse ihrer Herstellung. Sind diese Prozesse kontrolliert und sicher, kann mit einem vernünftigen Resultat gerechnet werden. Der einzige Schwachpunkt bleibt dann der Mensch, der nun mal ein ziemlich unvollkommenes Lebewesen ist. Bei der Pflanze wiederum handelt es sich selber um ein Lebewesen, und die Qualität dieser Pflanze ist eben nicht nur die Summe der Pflanzenvermehrungsprozesse. Pflanzen werden von Umweltbedingungen und Pflegemaßnahmen beeinflusst. Und sie können sich aufgrund von größeren oder kleineren Mutationen auch aus sich selber heraus (ziemlich zufällig) verändern. An diesem Problem werden wir auch mit der besten Qualitätskontrolle nicht vorbeikommen. Aber darum produzieren wir ja Jungpflanzen – und keine Schrauben.