Am Anfang der folgenden Überlegungen steht die Feststellung, dass am Markt Beerenpflanzen viel schneller drehen als Obstbäume. Warum aber ist das so, was sind die Gründe dafür? Und gäbe es nicht vielleicht auch Obstbäume, die wir mit den richtigen Verkaufsargumenten und der richtigen Produktion wie Beerenpflanzen verkaufen könnten? Können wir Obstbäume beerifizieren? Und weil es halt englisch noch viel schöner tönt, haben wir gleich ein neues Wort erfunden: Die Berryfication der Obstbäume…
Warum Beerenpflanzen schneller drehen als Obstbäume…
Zunächst müssen wir uns natürlich die Frage stellen, warum die Beeren so deutlich besser verkaufen als Obstbäume. Hier sind einerseits die objektiven Gründe als auch die subjektiven, psychologischen Gründe zu diskutieren, die den Obstbaumkauf so viel schwieriger machen als den Beerenkauf.
Objektive Gründe für die grössere Kaufbereitschaft bei Beerenpflanzen:
- Platzbedarf: Beerensträucher brauchen in der Regel weniger Platz als Obstbäume, entsprechend ist es einfacher, ein Plätzchen für sie zu finden. Obstbäume gelten als gross, Beeren sind dagegen klein.
- Preis: Beerensträucher sind preislich in der Regel günstiger als Beerenpflanzen, vor allem die unteren Einstiegspreise für kleinere Pflanzen liegen deutlich unter den Obstbäumen. In viele Fällen ist es auch technisch nur schwer möglich, bei Obstbäumen eine ähnlich kleine Pflanze (im 1-3l Container) zu produzieren. Ein wichtiger Grund dafür ist auch die Veredlung, die bei vielen Obstarten für die Produktion von sortenechten und schnelltragenden Obstbäumen notwendig ist.
- Architektur: Obstbäume haben tendenziell einen Stamm, dieser muss irgendwie erhalten bleiben, muss gestützt werden, darüber kommt die Krone, die geschnitten werden muss. Beerensträucher sind in der Regel mehrtriebig und bleiben das auch. Hier ist die Erwartung ganz klar und einfach: pflanzen, wachsen lassen und ernten…
- Frucht, Fruchtgrösse: Beeren sind klein, können genascht werden, im Vorbeigehen gepflückt. Der Genuss der Obstsorten gestaltet sich nicht so informell, Obstarten müssen sozusagen separat gepflückt, dann gelagert und gegessen/verarbeitet werden.
- Schneller Erfolg/instant gratification: Beeren tragen schnell, im besten Fall nach ein paar Monaten, fast sicher nach einem Jahr. Obstbäume brauchen Zeit.
- Kulturdauer: Obstbäume leben lange, bei Beerensträuchern überlegt man sich das nicht mal so genau. Eine langfristige Investition will gut, sehr gut überlegt sein. Aber da bewegen wir uns schon langsam in die psychologischen Gründe für die Bevorzugung von Beerenpflanzen hinein. Dazu noch eine kleine Geschichte: Vor ca. 15 Jahren veranstalteten wir regelmässig Informationsabende oder auch Tagesevents in Gartencentern oder anderen Verkaufsstellen: Da wurde ich regelmässig von älteren Kunden darauf angesprochen, wie lange sie dann bei einem Obstbaum auf die Ernte warten müssten und nicht selten endete die Diskussion mit der Bemerkung des Kunden/der Kundin, dass dann wohl die Kinder und Enkel den Gutteil der Ernte einbringen würden… Das kann natürlich auch ein Kaufgrund sein; da wir aber nun mal Menschen sind und lieber an unser eigenes Leben denken als and das Leben anderer danach, ist es eher ein Hinderungsgrund
Subjektive, eher psychologische Gründe für die grössere Kaufbereitschaft bei Beerenpflanzen
Hier verlassen wir natürlich endgültig die harten Facts, die klaren Unterschiede zwischen Beerenpflanzen und Obstbäumen. Aber nach meiner Erfahrung sind diese psychologischen Gründe tendenziell eher noch wichtiger als die objektiven Gründe. Auf jeden Fall muss man sie kennen, um gegebenenfalls argumentativ dagegen anzukommen und ganz gezielt Obstbäume als Beerenpflanzen oder zumindest wie Beerenpflanzen zu verkaufen.
- Einfachheit: Beerensträucher gelten als einfach, sie müssen nur mal gepflanzt werden – und tragen dann schnell Früchte. Bei Obstbäumen ist schon das Pflanzen mit Pfahl oder Gerüst eine kleine Wissenschaft.
- Die Angst vor dem Schneiden: Jeder weiss, dass man Obstbäume wohl kunstgerecht schneiden muss, bei den Beeren ist das eher nicht notwendig oder vor allem nicht so bewusst. Bei den Beerensträuchern schwebt den Kunden eine viel einfachere Fruchtwelt vor: einfach mal pflanzen, wachsen lassen und dann kommen die Früchte…
- Investitionsgut/Konsumgut: Diese Einschätzung der Beeren als Konsumgut und der Obstbäume als Investitionsgut hat natürlich mit den oben erwähnten Preispunkten zu tun, aber auch mit der angenommenen Kulturdauer. Ein Konsumgut kauft man einfach, hier und jetzt, auch mal spontan, ohne allzu viele Überlegungen zu den Folgen. Bei einem Investitionsgut wird alles viel differenzierter überlegt, vor allem wird die spontane Entscheidung eher nicht zugelassen…
Wie werden Obstbäume eher zu Beeren, und verkaufen sich so schneller und häufiger…
Den ‘Stein der Weisen’, des Rätsels Lösung, wie denn der Obstbaum zur Beerenpflanze wird, haben wir damit natürlich noch nicht endgültig gefunden, aber es gelingt uns so doch, ein Kriteriengerüst zu entwickeln, was Obstbäume für eine mögliche Berryfication erfüllen müssten und welche Argumente wir betonen müssen:
Für die Berryfication geeignete Obstbäume müssen mindestens 4-5 der oben entwickelten Kriterien erfüllen, um als beerenähnliche Obstbäume positioniert und auch verkauft zu werden. Wir zählen hier die Kriterien nochmals gesammelt auf:
- Klein, wenig Platz brauchend
- eher kleine Früchte, fürs Naschen geeignet, Genuss ohne Arbeit
- eher Sträucher als Stämme, eher unveredelt als veredelt
- tiefere Preispunkte möglich
- schneller Ertragseintritt
- kurze Kulturdauer, der Erfolg kommt so schnell, dass man über eine Zeitdauer von mehr als 5-7 Jahre gar nicht nachdenkt
- einfache Kultur, aber auch einfaches Image
- kein Schnitt notwendig, wenigstes nicht die ersten Jahre
- Positionierung als Konsumgut
Beerige Obstbäume im aktuellen Lubera Edibles Sortiment
Gibt es solche beerigen Obstbäume überhaupt? Selbstverständlich – sonst hätte ich ja diesen Artikel gar nicht geschrieben😉 Als erste Kandidaten drängen sich sicher genetisch klein wachsende Zwergobstbäume und Säulenbäume auf.
Bild: Zwergapfelbaum Maloni® Lilly® - in typischer Gartenumgebung. Hier als Fruchttragender Strauch gepflanzt.
Bild: Strauchkirsche 'Carmine Jewel' - Mit einer Endhöhe von 2 m ist die Bezeichung Strauch viel zutreffender als Baum.
Bild: Die säulenförmig wachsenden Malini®-Apfelbäume werden vielfach auch nicht höher als 2 m, vorallem die hier dargestellte Sorte Malini® Gracilis® bleibt mit einer Endhöhe von 150 cm ähnlich klein wie ein Maloni®-Zwergapfel.
Und wie ist es mit Feigen? Hier sind zuallererst die Feigenbäume geeignet, die zweimal pro Jahr tragen und auch kleine, einfach ohne Saftverlust direkt zu geniessende Früchte tragen. Eigentlich sollten wir da ganz gezielt von Beerenfeigen zu reden beginnen… Schon jetzt sind die Feigen weit im Beerenbereich angesiedelt, wir müssen diese Tendenz nur noch gezielt mit den richtigen Sorten und mit Zusatzargumenten verstärken; dass die Feigen in diese Richtung gehen, zeigen auch unsere extrem stark wachsenden Verkaufszahlen.
Bild: Die von Natur aus schwachwachsende Feige Gustis® Ficcolino®. Ficcolino® verzweigt sich auch ohne Schnittmaßnahmen sehr gut und bildet schöne kompakte Sträucher. Hier zu sehen in der Sortensichtung in Strullendorf.
Bild: Frücht von Gustis® Ficcolino®. Im Vergleich zu anderen Feigen eher klein, im Vergleich zu den meisten Beeren aber sehr groß.
Bild: Fruchtfeige 'Little Miss Figgy' ('LMF01' PBR) im Topf gewachsen. Auch ein vergleichsweise schwacher Wuchs und eine gute natürliche Verzweigung.
Bild: Früchte von 'Little Miss Figgy' ('LMF01' PBR)
Unsere Schwesterfirma Lubera AG verkauft im online Shop seit einigen Jahren Strauchkirschen, und zwar in einer ähnlichen Stückzahl wie Beerenpflanzen. Sie sind aus verschiedenen Gründen die idealen Beeren-Obstbäume: klein, strauchig wachsend, einfach zu kultivieren…
Noch mehr Informationen zur Berryfication
lesen Sie im nächsten Gärtnerbrief. Da werden wir gezielt einige für die Berryfication geeignete Obstarten und Sorten vorstellen. Und natürlich berichten wir dabei auch, welche Anstrengungen wir in der Vermehrungsforschung und in der Züchtung für die Berryfication von Obstbäumen unternehmen….