Als Züchter ist es natürlich unsere Pflicht und Schuldigkeit, neue, bessere Sorten zu züchten. Aber in der Marktrealität halten sich alte Sorten auch sehr lange, bis über das eigentliche Verfallsdatum hinaus. Wie kann man dieses Phänomen fürs Marketing benutzen?
Die Langlebigkeit alter Sorten
Hand aufs Herz. Welche Johannisbeersorten kennen Sie noch: 'Jonkheer van Tets' und allenfalls bei den Schwarzen 'Silvergieters' oder 'Titania'. Und bei den Himbeeren 'Zeva', 'Heritage', 'Autumn Bliss' und allenfalls 'Schönemann'. Diese Langlebigkeit der Sorten hat nur wenig mit ihrer aktuellen objektiven Qualität zu tun, sondern damit, dass sie zu ihrer Zeit – vor 30-50 Jahren – die Standardsorten waren – und damals auch den meisten anderen Sorten überlegen. Wir Gärtner sind nun mal traditionsbewusst; viel Wissen (auch viel ‘richtiges’ Wissen) sammelt sich nun mal in unserem Erfahrungsberuf über die Jahrzehnte an – und nicht alles kann immer wieder erneuert werden…
Ein zweiter Grund für die Hartnäckigkeit alter Sorten ist sicher ganz einfach auch der Preis, der durch keine Lizenzen erhöht wird. Als dritten Grund könnte man noch die Kulturerfahrung erwähnen: Gärtner wissen, wie sie mit ihren Klassikern umgehen müssen und wie sie auf Kulturmassnahmen reagieren. Warum also das Risiko von teureren neuen Sorten eingehen?
Ist die Langlebigkeit alter Sorten sachlich begründet?
Na ja, eher nicht. Dazu hat sich die Beerenobstzüchtung in den letzten 40 oder 50 Jahren viel zu schnell entwickelt: Herbsthimbeeren beginnen schon im Juli zu reifen, Schwarze Johannisbeeren haben einen verdoppelten Zuckergehalt und messen bis zu 20 mm, die Früchte der neuen Sorten ganz allgemein sind 100 bis 150% grösser als ihre Urahnen und in dem meisten Fällen sind sie auch besser schmeckend. Die Wuchseigenschaften haben sich auch tendenziell verbessert, bei den Himbeere gibt es unterdessen eine Vielzahl von dornenlosen Sorten, dazu gibt es ganze Familien von kompakt wachsenden Beerensorten (Lowberries®).
Ein weiteres Problem der älter werdenden Sorten wird häufig übersehen: Alle Beerensorten, aber Himbeeren aufgrund ihres nur halbholzigen Wuchses ganz besonders, brauchen eine kontinuierliche Erhaltungszüchtung, um ihre Vitalität und Gesundheit ebenso wie ihre Fruchteigenschaften zu behalten. Und eben dies geschieht bei alten Sorten meistens nicht mehr, weil niemand wirklich für sie verantwortlich ist. Wir haben für diverse alte Sorten schon in ganz Europa Pflanzenmaterial besorgt und dieses dann geprüft und vergleichen: Da gibt es sehr häufig beängstigende Unterschiede (also de fakto keine Sortenechtheit mehr) und auch klare Degenerationserscheinungen (Virusbefall, zerbröselnde Früchte, Chimärenbildung).
Gründe für die Langlebigkeit alter Sorten über das Verfallsdatum hinaus
Warum werden dann trotzdem in vielen Fällen die alten Sorten produziert, verkauft und angebaut? Eben (siehe oben) weil sie der Produzent und vielfach eben auch der Einkäufer kennt, weil man sich daran gewöhnt hat, weil die Preispunkte des Handels Lizenzsorten verunmöglichen und weil der Konsument und Hobbygärtner sie offensichtlich geduldig kauft und ’frisst’. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Wenn die Hobbygärtner merken, dass die Supermarkt-Früchte nicht nur grösser und fester, sondern auch trotz des frühen Erntezeitpunkts und trotz des Transports auch besser sind, dann wird ein Grundargument für den eigenen Obst- und Beerenanbau langsam aber sicher ausgehöhlt: Unter eigener Kontrolle bessere Früchte zu ernten! Selbstversorgung mit Genussgarantie!
Die List des Vintage-Marketings mit Beerenpflanzen
Weil wir bei Lubera Edibles überzeugt sind, dass neue Sorten das Salz in der Suppe unserer Pflanzenbranche sind und dass die riesigen Fortschritte auch im Hausgartenmarkt möglichst vielen Kunden zugänglich gemacht werden müssen, haben wir uns die List mit dem Vintage-Marketing einfallen lassen:
Neue Hochleistungssorten mit einem anheimelnden alten Namen.
Dazu verzichten wir bei diesen Sortenangeboten auf einen Grossteil der Lizenzen, die wir stark reduzieren. Warum wir trotzdem bereitwillig ‘Neuen und Guten Wein in Alten Schläuchen’ verkaufen, erklärt sich leicht auch den oben erklärten Begleitumständen der Hartnäckigkeit alter Sorten:
Erstens möchten wir die Züchtungsfortschritte bei den Himbeeren möglichst vielen Hobbygärtnern zugänglich machen – um damit auch langfristig die Attraktivität unserer Pflanzennische abzusichern.
Zweitens umgehen wir damit die Probleme alter Sorten, die sich vielfach in Qualitätsschwankungen und in Degenerationserscheinungen manifestieren.
Und drittens wählen wir natürlich wenn immer möglich Sorten aus, die wir gut und effizient vermehren können.
Gute alte Sorten – nur viel besser: Zeva Nova und Grand Heritage