Unsere Schwesterfirma, die Lubera AG in der Schweiz, beginnt eine intensive Züchtungszusammenarbeit mit dem James Hutton Institute in Schottland (Dundee). Im Fokus stehen dabei rote Johannisbeeren und Heidelbeeren. Die Züchter von Lubera selektionieren in den Züchtungspopulationen des James Hutton Institutes interessante Genotypen, diese werden dann in der Schweiz und in Deutschland auf ihre Garteneignung geprüft – mit dem Ziel neuer Sorten mit interessanten Eigenschaften. Gleichzeitig wird auch die eigene Züchtung von Lubera gestärkt, die neue Eigenschaften in ihr Züchtungsprogramm einkreuzen kann.
Zusammenfassung
Lubera AG in der Schweiz startet eine enge Züchtungskooperation mit dem James Hutton Institute in Schottland, um neue Sorten roter Johannisbeeren und Heidelbeeren für den Hausgarten zu entwickeln. Lubera nutzt die genetischen Ressourcen und Züchtungspopulationen des Instituts, prüft ausgewählte Genotypen in der Schweiz und Deutschland und bringt eigene Erfahrungen und Ziele in die gemeinsame Arbeit ein.
Bei den roten Johannisbeeren liegt der Fokus auf höherer Resistenz gegen Mehltau, größeren und süßeren Beeren sowie besonderen Eigenschaften wie dekorativem Laub. Ziel ist es, klimafitte Sorten zu schaffen, die auch nach milden Wintern zuverlässig tragen.
Bei den Heidelbeeren geht es vor allem um besseren Geschmack, aromatischere Sorten, interessante Reifeverteilungen und besondere Wuchsformen. Erste Überraschungen wie nachblühende Pflanzen könnten neue, ertragreiche und mehrfach tragende Sorten ermöglichen.
Die Zusammenarbeit ist langfristig angelegt, da Züchtung 5–10 Jahre bis zur Marktreife braucht. Erste konkrete Sorten sind frühestens in einigen Jahren zu erwarten, doch die bisherigen Ergebnisse zeigen bereits vielversprechende Entwicklungen.
Die zwei grossen Z: Warum Züchtung und Zusammenarbeit zusammengehören
Züchtung ohne Zusammenarbeit ist nicht denkbar. Praktische Züchtung findet nie im stillen Büro und fast nie auf dem einsamen Feld statt. Zunächst baut Züchtung immer auf der Vergangenheit auf – auf bestehenden Sorten und Eigenschaften, die in der Kreuzungszüchtung kreativ miteinander kombiniert werden. Das Bild, dass Forscher immer auch auf den Schultern von Riesen stehen, auf ihrer Arbeit aufbauen, gilt ganz besonders auch in der Pflanzenzüchtung. Wir sind im permanenten Austausch und Gespräch mit unseren Vorgängern, die um die vorletzte Jahrhundertwende herum (um 1900) mit der Domestizierung und züchterischen Verbesserung der Heidelbeere begannen.
Gleichzeitig und glücklicherweise gibt es immer auch einen informellen, manchmal ganz praktischen Austausch zwischen befreundeten Züchtern. Im Falle von Lubera und James Hutton haben wir das jetzt auf eine formellere Stufe angehoben: Basierend auf einer schon jahrelang bestehenden punktuellen Zusammenarbeit (z.B. in der Kartoffelzüchtung) finanzieren helfen wir jetzt zusammen mit anderen Partnern aus dem Erwerbsanbau die Züchtungsprogramme für Heidelbeeren und rote Johannisbeeren mitzufinanzieren. Im Gegenzug können wir selber in den Züchtungsfeldern des Institutes nach Kandidaten für den Hausgartenmarkt Ausschau halten, diese dann vermehren und in unseren Baumschulen und Züchtungsanlagen in der Schweiz und in Deutschland auf Herz und Nieren prüfen. Zusätzlich zum vertraglichen und finanziellen Rahmen fliessen aber die Informationen noch freier in beide Richtungen: Wir lernen viel von den Kolleginnen in Schottland und beeinflussen mit umgekehrt mit unserer Erfahrung auch ihre aktuellen Züchtungsziele.
Warum mit dem James Hutton Institute (JHI) in Schottland?
Uh, Schottland. Das klingt ja sehr nördlich, man spürt schon fast den Regen und die hohe Luftfeuchtigkeit, die kürzere Vegetationsperiode, das Hochland, den brennenden und nach rauchenden Whisky…

Bild: Der Campus des James Hutton Institute bei Dundee.

Bild: Züchtungsfelder mit Heidelbeeren beim JHI.
Aber bei den Heidelbeeren (die nördlichen Heidelbeertypen, die Winterkälte brauchen, wie Vaccinium corymbosum) und bei den roten Johannisbeeren spielt das keine entscheidende Rolle. Sie werden einfach etwas später reif als bei uns in der Schweiz und in Mitteleuropa – was auch den Vorteil hat, dass wir bei der Selektion in Schottland bereits „geeicht“ an die Arbeit gehen: Wir haben die gleichen Kulturen schon bei uns reifen gesehen und bringen damit den richtigen Massstab für die Beurteilung der schottischen Pflanzen gleich mit. Die roten Johannisbeersorten, die in Schottland bereits mild und süss sind, werden es bei uns erst recht sein…
Die Winterhärte, die im maritimen Klima der schottischen Küstenregionen nicht wirklich eine Rolle spielt, ist bei beiden Arten kein wesentliches Problem. Im Gegenteil: Gerade bei den roten Johannisbeeren geht es darum, neue Sorten zu finden, die für die Klimaveränderung gerüstet sind und nach einem milden Winter (in Schottland eher die Regel als die Ausnahme) regelmäßig und früh austreiben und blühen. Bei uns in Mitteleuropa hatten wir schon in verschiedenen Jahren des vergangenen Jahrzehnts das Problem, dass einige der klassischen Johannisbeersorten nach einem milden Winter (mit zu wenig Winterkälte) im Frühjahr nicht richtig in die Gänge kamen.
Und: Wir sprechen die gleiche Sprache…
Zugegeben, manchmal klingt unser Englisch etwas steif und manche Wörter wollen uns nicht ganz leicht über die Lippen kommen. Der schottische Akzent unserer Züchtungspartner aber macht die Kommunikation durchaus leichter: Unsere Partner sprechen ja definitiv auch kein Oxford English, da sprechen auch wir freier und ungehemmter. Aber neben dem Sprachlichen stimmt auch die Einstellung zur Züchtung: pragmatische und geduldige Kombinationszüchtung, basierend auf der reichen schottischen und englischen Züchtungstradition – da fühlen auch wir uns wohl und verstanden. Zusätzlich sind die schottischen und englischen Forschungsanstalten pragmatischer und meist auch geschäftsoffener aufgestellt als die mitteleuropäischen Forschungsanstalten. Sie haben seit den Thatcher-Jahren gelernt, dass sie private Initiative, privates Know-how und auch Geld brauchen, um gemeinsam mit Partnern neue innovative Sorten zu züchten.

Bild: Markus Kobelt und Jamie Smith, unser geschäftlicher Verhandlungspartner in Dundee, mit ihm macht das Verhandeln grossen Spass.
Die Zukunft der roten Johannisbeeren
Aber was sind jetzt unsere Ziele ganz konkret bei den roten Johannisbeeren? Zunächst einmal sind wir ganz ergebnisoffen: Wir bearbeiten gemeinsam eine Art, bei der seit 50 Jahren fast nichts mehr züchterisch unternommen wurde – eben mit der Ausnahme von Lubera und dem James Hutton Institute. Leider sind auch viele osteuropäische Züchtungsprogramme, die es vor 1989 noch relativ zahlreich gab, eingestellt worden oder sanft entschlafen. Und da kommt eben der oben dargestellte Mechanismus in Gang: Züchtung funktioniert eben nicht im luftleeren Raum, sie braucht das Gespräch und den Austausch. Mit Lubera und dem James Hutton Institute (zusammen mit einigen weiteren innovativen Partnern aus dem Beerenanbau in Europa) ist eben dieses Gespräch wieder möglich. Und mit der Johannisbeerzüchterin Amanda Moura (eine brasilianische Pflanzenzüchterin, die in Schottland rote und schwarze Johannisbeeren züchtet...) ist die Zusammenarbeit eine wahre Freude. Sie ist ebenso an unseren Erfahrungen interessiert, wie wir auf ihre Sämlinge und Selektionen gespannt sind.

Bild: Die Johannisbeerzüchterin Amanda Moura und Markus Kobelt vor dem neuen Hauptgebäude des JHI.
Und wirklich: Die Johannisbeeren können etwas südamerikanisches Temperament gut gebrauchen!
Neue moderne rote Johannisbeersorten für den Hausgartenmarkt sollen folgende Ziele erreichen:
- resistenter gegen echten Mehltau
- größere Einzelbeeren, besseres Fruchtfleisch/Samen-Verhältnis
- mehr Zucker und weniger Säure
- zusätzliche überraschende Eigenschaften, die wir zu einem großen Teil noch gar nicht kennen – und erst auf dem Feld gemeinsam entdecken
Die Entdeckungsreise hat übrigens bereits begonnen: Wir selektionieren im zweiten Jahr in Schottland und haben überraschend frühe und gleichzeitig sehr süße Johannisbeeren kennengelernt.

Bild: Johannisbeersämlinge auf den Züchtungsfeldern des JHI, nach der Vorselektion auf Mehltautoleranz.
Und zu unserer aller Überraschung haben wir auch Genotypen selektioniert, die im Sommer eine schöne Rotfärbung an den Blättern haben. Vielleicht – ja vielleicht? – können wir die Rotlaubigkeit unserer schwarzen Johannisbeersorten (Black’n’Red) auch bei den roten Johannisbeeren finden. Fast sicher wird es dazu aber noch weitere Züchtungsschritte notwendig sein.

Bild: Schwarze rotlaubige Lubera Sorte Black’n’red Premiere.

Bild: rotblättrige rote Johannisbeere
Die Zukunft der Gartenheidelbeeren
Und was kann denn an den Gartenheidelbeeren noch besser werden? Die schiere Größe der Beeren macht natürlich auch uns Freude – aber sie ist nicht das Wichtigste.

Bild: Sehr grossfrüchtige Heidelbeere.
Der Geschmack und das Aroma der Gartenheidelbeeren können sicher deutlich verbessert werden. Heidelbeeren müssen nicht einfach leicht süß und langweilig schmecken (und nirgendwo anecken). Durch die Selektion von fruchtigeren Sorten (mit etwas mehr Säure, bei einem schönen Zuckergehalt) kommt mehr Pepp in unser Sortiment. Die Ess-Arbeit in den Züchtungsfeldern von Dundee hat auch gezeigt, dass es sehr süße Sorten gibt, die ein stärkeres Aroma entfalten (das letztlich über die Nase, im Abgang, wahrgenommen wird). Bei den Heidelbeeren kommen Pflanzen- und Fruchttrauben-Architekturen dazu, die spannend sind: Während der Erwerbsanbau vor allem an Sorten interessiert ist, die möglichst gleichzeitig reifen und geerntet werden können, interessieren uns auch Selektionen, die unterschiedlich und über einen längeren Zeitraum abreifen.

Bild: Selektion mit Megaertrag.

Bild: Selektion mit gleichzeitig abreifenden Trauben.

Bild: Heidelbeere mit lange nachreifenden Beeren (lange Reifezeit für den Hausgarten).
Auch bei den Heidelbeeren wird es – wie immer in der Züchtung – Überraschungen geben. Auch hier befinden wir uns schon im zweiten Jahr der Zusammenarbeit und haben dieses Jahr das Glück, sozusagen per Zufall (Züchtung heisst: den Zufall zu sehen) zwei Genotypen zu entdecken, die im Sommer nachblühen. Das werden interessante Züchtungspartner für unsere zweimal tragenden und blühenden kompakten Selektionen aus der Familie der Vaccinium angustifolium sein, die wir in den letzten Jahren selektioniert haben.

Bild: nachblühende Vaccinium corymbosum Anfang August in Schottland.

Bild: Die längste Heidelbeertraube...
Unsere Züchtungspartnerin bei den Heidelbeeren, Susan McCallum, ist mindesten sprachlich eine echte Schottin und die RR rollen ebenso hart wie bei uns, die Vokale werden überdeutlich ausgesprochen und nicht halb verschluckt wie im englischen Englisch. Bei ihr kommt auch der schottische Humor zum Tragen (oder ist es vielleicht doch der britische Humor mit einer etwas härteren Aussprache?):
Nach einem halben Tag mit viel zu vielen gegessenen Heidelbeeren und einem fast schon rebellierenden Magen und Darm bemerkt sie ganz trocken: „Da in dieser Reihe habt ihr übrigens auch eine längst schon bestehende Sorte selektioniert, die mitten in den Sämlingen steht. Offensichtlich habt ihr keinen so schlechten Geschmack.“

Bild: Susan McCallum erklärt die Heidelbeervermehrung durch Steckhölzer und die dabei eingesetzten Töpfe.
Sollten wir vielleicht in Zukunft die Heidelbeeresserei in Schottland doch mit einem Whisky abschliessen? Vielleicht würde damit auch der Magen beruhigt?
Und wann gibt es neue Sorten aus dieser Zusammenarbeit?
Auf diese Frage weiß ich eine Antwort, die gefährlich nahe bei den Auskünften unseres IT-Fachmanns und Programmierers Markus Pöllinger liegt, der auf die Frage nach dem Zeithorizont von IT-Entwicklungen jeweils mit einem halb ärgerlichen, halb verschmitzten Lächeln und einem Schulterzucken reagiert – und im besten Fall noch ergänzt: „Es dauert, bis es halt fertig ist.“
Unsere IT-Projekte mit unserem Shop Lubera.com werden eigentlich immer fertig – es fragt sich nur, wann… Und genau so ist es bei der Züchtung, nur dass der Zeithorizont noch viel offener ist… Züchtung braucht Zeit. Wer hier nicht langfristig denkt, in Zyklen von 10–20 Jahren, wird nie etwas erreichen. Aber eines weiß ich nach zwei Selektionsjahren in Schottland schon ganz sicher und ohne Schulterzucken: Es wird bessere Heidelbeeren und rote Johannisbeeren für den Hausgarten geben! Bis zu den ersten konkreten Sorten werden aber mindestens 5–10 Jahre vergehen. Das ist ja eigentlich -mindestens für einen Pflanzenzüchter - gar nicht so lange hin! Und hätten wir nicht schon vor 2 Jahren begonnen, würde es noch länger dauern!